Schon Monate vor meiner Reise nach Neuseeland wusste ich, welche Orte ich auf jeden Fall besuchen möchte. Ganz oben auf meiner Liste standen zum Beispiel: die Fjorde im Fiordland National Park, die Gletscher an der Westküste der Südinsel, die Vulkane im Tongariro Nationalpark und die feinen Sandstrände auf der Coromandel Halbinsel.
Während meines Auslandssemesters an der University of Otago schwärmten andere Studierende allerdings von immer neuen Orten, die ich noch nicht auf meinem Reiseplan vermerkt hatte. So erfuhr ich zum Beispiel von den Catlins, Kaikoura oder Lake Tekapo... Meine Liste wurde immer länger und länger. Meine Zeit in Neuseeland erschien mir hingegen immer kürzer und kürzer.
Irgendwann wurde mir klar: Die Besonderheit Neuseelands, das sich hier so viele unterschiedliche Landschaften auf nur zwei relativ kleinen Inseln gebildet haben, ist gleichzeitig auch die größte Herausforderung für jeden Reisenden: Es gibt einfach viel zu viel zu entdecken!
Viel sehen oder entspannt Reisen?
"Hi, sorry! Ich bin eigentlich schon wieder weg", begrüßt mich eine schlanke, sportlich gekleidete Frau, als ich das Hostel-Zimmer betrete, das ich mir mit ihr und vier weiteren Frauen in der folgenden Nacht teilen werde. Während sie weiter in ihrem Rucksack kramt, erzählt sie hastig: "Ich will noch schnell zum Lake Matheson fahren. Morgen geht es dann sehr früh weiter Richtung Norden, damit wir nachmittags in Nelson sind. Ich habe nur zwei Wochen Zeit und möchte so viel wie möglich sehen." Als sie den Raum verlässt, wirft sie mir noch einen entschuldigenden Blick zu, dann bin ich allein.
Eigentlich hatte ich mich schon auf die Neu-in-einem-Hostel-Standard-Begrüßungsfloskeln: "Wo warst du schon?" "Wo willst du noch hin?" vorbereitet und bin dementsprechend ein bisschen überrascht.
Wo warst du schon? Wo willst du noch hin?
Versteht mich nicht falsch! Auch ich habe diese Fragen schon gestellt. Sie sind super geeignet, um eine fremde Person kennenzulernen und man erfährt vielleicht den ein oder anderen Geheimtipp. Das Problem ist allerdings, dass die Antworten oft das Bedürfnis wecken, immer neue Orte zu der eigentlich schon vollen Dinge, die ich unbedingt sehen möchte - Liste hinzuzufügen.
Später erfahre ich, dass meine Zimmernachbarin beide Inseln Neuseelands in zwei Wochen bereisen möchte und einen entsprechend engen Zeitplan besitzt. Während ich im Bett liege, denke ich nach: "Wow! Wenn sie es schafft, sowohl Nord- als auch Südinsel in zwei Wochen zu bereisen, dann kann ich vielleicht auch noch mehr Orte in meine Reiseroute integrieren. Immerhin habe ich sechs Wochen Zeit."
Nach einigem hin und herschieben der Reiseroute, Verkürzungen der Übernachtungen an einem Ort, nach dem Motto: "Schlafen kann ich auch im Reisebus", realisiere ich irgendwann: Während sich die Liste der Orte, die man besuchen möchte gefühlt bis ins Unendliche verlängern lässt, funktioniert das mit der zur Verfügung stehenden Zeit meistens leider nicht. Vielleicht sollte ich lieber einige Orte von meiner Route streichen und dafür entspannter reisen? Wäre das so schlimm? Kann man auf einer Reise überhaupt "alles" entdecken?
Bei meinem Reiseabschnitt von Christchurch über Akaroa und Picton nach Wellington - einem Abschnitt, bei dem ich viele Orte an wenigen Tagen bereist habe – konnte ich mir Gedanken über das Für und Wieder dieser Form des unterwegs seins machen.
Fazit!?
Bei drei Orten an sechs Tagen habe ich meine maximale Reisegeschwindigkeit erreicht. Wenn ich reise, genieße ich es, neue Orte ausgiebig zu erkundschaften, ohne ständig auf die Uhr sehen zu müssen und an einem Ort anzukommen, bevor ich zum nächsten Ziel aufbreche.
Letztendlich habe ich mich dafür entschieden, langsamer zu reisen und weniger Orte zu besuchen. Ich habe also weder den beeindruckenden Sternenhimmel über Lake Tekapo, die bunten Fische und Korallen auf den Poor Knights Islands noch das Aufeinandertreffen des Tasmanischen und des Pazifischen Ozeans am Cape Reinga gesehen.
Dafür habe ich mehr Zeit an den jeweiligen Orten verbracht, die ich besucht habe, und habe viele Dinge entdeckt, die ich wahrscheinlich niemals gesehen hätte, wenn ich nur eine Nacht dort
geblieben wäre.
Reise-Tipp: Beschränkt eure "Bucket List" auf ein realistisches Maß
Mein Tipp für alle, die auch nach Neuseeland reisen möchten, ist: Beschränkt eure "Bucket List" auf ein realistisches Maß. Bedenkt, dass die Abstände zwischen manchen Orten auf der Karte zwar sehr gering aussehen, man in Wirklichkeit aber oft viel mehr Zeit braucht, als man ursprünglich eingeplant hat.
Denn die oftmals engen und kurvigen Straßen Neuseelands sind nicht dazu geeignet, um schnell zu fahren und ihr werdet sicherlich oft das Bedürfnis haben, einfach anzuhalten, um die schönen
Landschaften zu bestaunen. Mit einer schlanken "Bucket List" wird die Reise viel entspannter und ihr habt einen oder vielleicht auch mehrere Gründe, um wiederzukommen. ;)