Die Fotografie ist für mich ein Weg, um mich verbunden zu fühlen. Die Kamera erlaubt es mir, mich zu fokussieren, mich einzulassen und die Essenz einer Begegnung oder Situation festzuhalten. Fotos, bei denen mir das gelungen ist, kann ich mir immer wieder ansehen. Und natürlich freut es mich auch, wenn meine Fotos nicht nur bei mir, sondern auch bei euch etwas auslösen und ich Anerkennung für meine Arbeit bekomme.
Vor einiger Zeit ist mir allerdings aufgefallen, dass ich offenbar weniger nach dieser Essenz und mehr nach Bestätigung suche. Aufgefallen ist mir das vor allem, als ich festgestellt habe, dass ich immer mehr im vertikalen Format fotografiere – was ich früher fast nie gemacht habe. Auf der Suche nach dem „Warum“ bin ich schnell darauf gekommen, dass Instagram seit einiger Zeit das vertikale Format bevorzugt. Fotografiere ich also eigentlich für Anerkennung und Bestätigung auf einer Social Media Plattform?
Nicht, dass es schlimm wäre, seinen fotografischen Stil an den Anforderungen eines sozialen Netzwerks auszurichten, um dort Anerkennung oder wirtschaftlichen Erfolg zu bekommen. Aber Grund genug, um herauszufinden, wie die Mechanismen dieser Plattform funktionieren. Denn ich will verstehen, wie Instagram meine Fotografie, aber auch die Fotografie im Allgemeinen, in den letzten zwölf Jahren beeinflusst hat.
Die Bücher, Newsletter, Magazine, Blogs und Podcasts, die mir bei der Recherche geholfen haben, habe ich euch übrigens unter diesem Artikel verlinkt.
Bei meiner Recherche ist eins schnell klar geworden: Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, das Netzwerk, seine Geschichte, die Vision der Gründer und seine aktuelle Situation zu betrachten. Denn obwohl die Fotografie tief in der DNA von Instagram verwurzelt ist, entfernt sich die Plattform aktuell immer weiter von ihrem Ursprung.
TikTok killed the Instagram Star?
In der Social Media Kommunikation ist eine neue Ära angebrochen. Vor allem eine Plattform verzeichnet in den vergangenen drei Jahren ein rasantes Wachstum: TikTok. Was diese Plattform so unwiderstehlich macht: TikTok, das zum chinesischen Unternehmen "ByteDance" gehört, hat einen Algorithmus entwickelt, der schon nach wenigen Minuten zielgenau vorhersagen kann, was du magst.
Dabei setzt TikTok nicht auf das Teilen von Fotos, sondern auf vertikale Kurzvideos. Ein Grund dafür ist sicher, dass Videos eher als Fotos – vor allem auf einem kleinen Handy-Bildschirm – in der Lage sind, die Aufmerksamkeit der Betrachter:innen für längere Zeit zu binden. Das gibt der Plattform nicht nur längere Nutzungsdauern, sondern auch wertvolle Informationen, die dann wiederum helfen den Algorithmus „besser“ zu machen, d.h. in so zu optimieren, dass wir noch mehr Zeit auf dieser Plattform verbringen und TikTok noch mehr Informationen über uns sammeln kann, um diese dann an Werbekunden zu verkaufen.
Zudem ist TikTok – anders als Instagram – weniger als soziales Netzwerk und mehr als Entertainment-Plattform aufgebaut. Es gibt zwar Möglichkeiten, eigene Inhalte hochzuladen oder Videos von anderen zu kommentieren, zu teilen und zu liken – der Fokus liegt bei TikTok aber stärker auf dem Konsum und weniger auf dem Teilen von Inhalten.
The winner takes it all ...
Schaut man sich die Entwicklung der verschiedenen Social Media Plattformen über die vergangenen rund 20 Jahre an – von "Myspace", "StudiVZ" und "Wer kennt Wen?" bis heute – so wird deutlich, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt jeweils eine dominante Plattform gibt, die in der Regel zu einem späteren Zeitpunkt von einer anderen Plattform abgelöst wird.
Diese Entwicklungen lassen sich mit sehr gut mit dem "Netzwerkeffekt" erklären: Erreicht eine Plattform eine kritische Masse an Nutzer:innen, wird sie erfolgreich. Umgekehrt: Kehren zu viele Menschen einer Plattform den Rücken zu, verliert sie an Relevanz und verschwindet gegebenenfalls komplett.
Der "Netzwerkeffekt" oder "Netzeffekt" sagt im Prinzip aus, dass sich der Nutzen eines Produkt für Konsument:innen verbessert, wenn die Anzahl aller Nutzer:innen dieses Produkts steigt. Bei sozialen Netzwerken ist dieser Effekt essenziell wichtig für den Erfolg. Denn zum einen liegt der Nutzen dieser Plattformen im Austausch mit anderen Menschen, zum anderen werden alle Inhalte auf diesen Plattformen von Nutzer:innen erstellt.
So erging es MySpace, Facebook und nun vielleicht auch Instagram?
Das jeweils neue Netzwerk positioniert sich – zumindest in der Anfangsphase – als Gegenentwurf zu dem vorherigen: Facebook war einfacher als MySpace und internationaler als StudiVZ.
Instagram war positiver und besser kuratiert als Facebook. TikTok ist unterhaltsamer und aktuell noch „werbefreier“ als Instagram.
"Steal like an Artist" or copy like Facebook – Instagrams Antwort auf TikToks Erfolg
Dass sich der Netzwerkeffekt aktuell eher zu Gunsten von TikTok verschiebt und die eigene Plattform Instagram damit an Relevanz zu verlieren droht, scheinen den Mutterkonzern von Instagram "Meta" ziemlich nervös zu machen.
Im vergangenen Jahr hat sich Facebook in "Meta" umbenannt. Offiziell, um das Unternehmen auch namentlich an die neue Vision, das "Metaverse", anzupassen. Infoffiziell vermute ich, dass der Name auch deshalb geändert wurde, um sich von der eigenen in die Kritik geratenen Plattform zu distanzieren.
Denn unsere Aufmerksamkeit ist begrenzt. Je mehr Zeit wir auf TikTok verbringen, desto weniger Zeit bleiben für Instagram und Facebook. Wie sonst ließen sich die vielen neuen Funktionen, die auftauchen und dann wieder verschwinden oder das Hin und Her und die Tests rund um den Feed erklären?
Meta braucht Instagram. Die eigene Plattform Facebook hat – nach Jahren des Wachstums – in diesem Jahr zum ersten Mal in Europa einen Rückgang in den Nutzerzahlen verzeichnet. (Quelle: https://allfacebook.de/zahlen_fakten/meta-facebook-nutzerzahlen-umsaetze-2022) Darüber hinaus ist Facebook in den vergangenen Jahren immer wieder aufgrund von Datenschutzverletzungen und politischen Hetzkampagnen stark in die Kritik geraten.
Um im Kampf um die Aufmerksamkeit mit TikTok konkurrieren zu können, bedient sich Meta einer bewährten Strategie: Der Konzern kopiert die erfolgreiche Funktion der neuen Plattform und integriert sie auf seiner eigenen. Das hat funktioniert, als Snapchat zur Bedrohung für Instagram wurde. Jetzt setzt Instagram auf "Reels" und verschiebt den Fokus von Fotos auf Videos.
Adam Mosseri, der Geschäftsführer von Instagram, sagt dazu in einem Statement: „Changes Coming to Video 📺 We’re no longer just a square photo-sharing app.“ (https://www.instagram.com/tv/CQwNfFBJr5A/?hl=de)
Bedeutet das, dass Fotos auf Instagram an Relevanz verlieren? Ja und nein. Aus meiner Sicht sehen wir zwar auf der einen Seite weniger Fotos und dafür mehr Videos auf der Plattform. Auf der anderen Seite beobachte ich aber mehr Vielfalt in den gezeigten Fotografien. Aber dazu später mehr.
Zudem interessiert mich hier auch eure Einschätzung bzw. Beobachtung, denn das was ich sehe, ist ja stark abgängig davon, wem ich folge und wie ich mich auf der Plattform verhalte. Euer Eindruck kann dementsprechend ganz anders sein. Schreibt mir gerne eure Meinung in die Kommentare.
Kuration hat Instagram erfolgreich gemacht – die Entstehung der Instagram-Ästhetik
Wie TikTok gegenwärtig den Gegenentwurf zu Instagram darstellt, positionierte sich das damalige Foto-Netzwerk vor circa zehn Jahren als Alternative zu Facebook – einer Plattform, die einmal entstanden ist, um Freunden zu helfen, in Verbindung zu bleiben oder um Frauen zu bewerten – je nachdem, wen man fragt.
2015 stand Facebook vor einer Herausforderung: Nutzer:innen teilten zum ersten Mal weniger Beiträge auf der Plattform als im Vorjahr. Grund war vermutlich unter anderem eine Anpassung im Newsfeed-Algorithmus, der nicht mehr die Beiträge von Freundinnen und Freunden, sondern Posts mit vielen Interaktionen an die Nutzerinnen und Nutzer ausspielte.
Das hatte zur Folge, dass die Newsfeeds von vielen im besten Fall von süßen Tiervideos, im schlimmsten Fall von politischen Hassreden, Fakenews und im Normalfall von Clickbait-Postings, zum Beispiel von heftig.co oder Buzzfeed überschwemmt wurden. Wer erinnert sich noch?
Die beiden Gründer von Instagram, Kevin Systrom und Mike Krieger, nahmen mit ihrer Plattform (die damals faktisch zwar schon zu Facebook bzw. Meta gehörte, aber immer noch von den beiden Gründern geführt wurde) eine Gegenposition ein.
Mit der Veranstaltung von „InstaMeets“ rund um den Globus, einer sorgfältig kuratierten „Suggested User List“, individuellen Schulungen von Prominenten Nutzer:innen und einem eigenen „Instagram-Profil“, auf dem das Instagram-Team wöchentliche Challenges wie #WeeklyFluff" durchführte, gab das Instagram-Team den Ton und vor allem die Visualität der wünschenswerten Inhalte auf der Plattform vor.
So bot Instagram einen „Sweet Escape“. Eine besser kuratierte, flauschigere Alternativwelt zu Facebook – und vielleicht auch zur Wirklichkeit.
Die Entfesselung der Fotografie
Für fotografiebegeisterte Menschen (wie mich) war Instagram in den Anfangsjahren eine große Chance: kostenlose Aufmerksamkeit und Reichweite für die eigenen Bilder – was will man mehr? Außer vielleicht einer fairen Bezahlung.
Vermutlich war das der Grund, warum viele etablierte (Berufs-)Fotograf:innen in den ersten Jahren noch zögerlich waren, sich eine eigene Präsenz auf Instagram aufzubauen. Ich erinnere mich an Gespräche zu den AGBs von Instagram, in denen es hieß, dass man der Plattform mit der Veröffentlichung des Fotos das Recht an der Verbreitung einräumt – und das kostenlos.
Zu diesem Zeitpunkt – etwa um die Jahre 2013 und 2014 – war es (zumindest in meiner Beobachtung) für Berufsfotograf:innen ungewöhnlich, die Rechte an den eigenen Fotos unentgeltlich an eine (digitale) Plattform abzutreten.
Warum sollte so etwas ungewöhnlich sein? Kann und sollte man sich an dieser Stelle fragen. Denn in einer in einer idealen Welt sollte jeder für seine Arbeit entsprechend entlohnt werden. Aber wir leben in einem wirtschaftlichen System, das von Angebot und Nachfrage bestimmt wird.
Und was den Fotomarkt angeht: Der hat sich in den vergangenen Jahren – und vor allem mit dem Aufstieg von Instagram und den immer besser werdenden Smartphone-Kameras – zu Gunsten der Nachfrage entwickelt.
Die Menge der veröffentlichten Fotografien ist in den vergangenen zehn Jahren enorm angestiegen. An einem Tag werden 2016 rund 95 Millionen Posts geteilt (Stand Juni 2016, die Zahl ist heute wahrscheinlich noch höher).
Quelle: https://www.brandwatch.com/de/blog/instagram-statistiken/
Zugleich sinken die Reichweite und somit auch die Gewinne der traditionellen Medien, deren Entscheider:innen zuvor für die Karrieren vieler – vor allem journalistisch arbeitender – Fotograf:innen verantwortlich waren.
Während sich Türen in der traditionellen Medienwelt schließen und Einnahmequellen versiegen, öffnen sich in der digitalen Welt neue. Die Verwalter:innen dieser Budgets sind vor allem an zwei Dingen interessiert: Reichweite und Einfluss.
Journalistische oder künstlerische Werte spielen in diesem Kontext nur insofern eine Rolle, dass die Inhalte interessant genug sein müssen, um die Aufmerksamkeit der Betrachter:innen so lange wie möglich zu binden.
Nachdem auf Instagram viele Jahre nur ausgewählte – und von den Gründern noch selbst mit gestaltete und freigegebene – Werbeschaltung möglich war, erhielt Instagram 2016 Zugang zu dem Werbesystem seines Mutterkonzerns, Facebook.
Mark Zuckerberg, der CEO und Gründer von Facebook, hatte Instagram 2012 für die damalige Rekordsumme von einer Milliarden Dollar gekauft. Jetzt – wo Facebook erste Ermüdungserscheinungen zeigt – muss Instagram beweisen, dass es die Investition Wert ist.
„They (Instagram) would only fit into their new home (Facebook) if they learned to adhere to a corporate philosophy more attuned to metrics than to cultural moments. Facebook wanted metrics – milestones like 1 billion users – so it could swallow fron an even bigger fire hose of data on human interactions.“ (Sarah Frier: „No Filter. The Inside Story of Instagram“ 2021, S. 89)
Der Zusammenschluss mit Facebook lenkt den Fokus für Instagram weg von Inhalten und hin zu Zahlen.
„Don’t make Ads – make TikToks“: Werbung auf Social Media Plattformen
Doch Werbung auf Social Media Plattformen ist keine einfache Sache. Die meisten Nutzer:innen besuchen diese Plattformen für den Austausch mit Freund:innen (früher einmal Facebook), Informationen (Twitter), Inspiration (Instagram) und/oder Unterhaltung (TikTok).
Im Prinzip befriedigen Social Media Plattformen ähnliche Bedürfnisse wie Fernsehen, Radio, Zeitungen oder Magazine – mit dem großen Unterschied, dass hier Beiträge von Freund:innen direkt neben bzw. unter „professionell erstellten“ Inhalten stehen. Die Rezeptionssituation ist also eine viel intimere und die Akzeptant von klassischer Werbung ist geringer.
So kann man beobachten, dass Social Media Plattformen mit der zunehmenden Anzahl an (klassischen) Werbeanzeigen an Attraktivität verlieren. Die Nutzer:innen schauen sich nach alternativen werbefreieren Plattformen um.
Kein Wunder, dass TikTok von Beginn an allen interessierten Werbetreibenden folgende Botschaft mit auf den Weg gibt: „Don’t make Ads, make TikToks“.
Mit dem Aufstieg der digitalen Kommunikation haben solche „nativen“ Werbeformen, die sich nahtlos in das „Nutzererlebnis“ einbetten, eine neue Relevanz erhalten. Die vielleicht bekanntesten und über (fast) alle Medien etablierteste Formen dieser Art von Werbung sind die Produktplatzierung und das Sponsoring von bekannten Persönlichkeiten – heute besser bekannt als „Influencer Marketing“.
„Das Modell der Anzeigenwerbung im Netz ist immer stärker von sogenannten Ad-Blockern bedroht. Nutzern werden dann keine Werbeanzeigen mehr angezeigt, wodurch das klassische Geschäft von Google oder Facebook in die Krise geraten könnte. Die Influencer lassen sich jedoch nicht mit einem Ad-Blocker entfernen, da sie lediglich ‚Content‘ generieren, in den die Produkte eingebunden werden – und die Nutzer wollen sie auch nicht blockieren, da sie die Influencer nicht als Störung, sondern als Bereicherung wahrnehmen.“ (Ole Nymoen, Wolfgang M. Schmitt: „Influencer. Die Ideologie der Werbekörper“ 2021, S. 40-41)
Was hat das jetzt alles mit Fotografie zu tun – werdet ihr euch an dieser Stelle sicher fragen. Sehr viel würde ich sagen. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass diese Entwicklung – und vor allem das Versprechen, mit der Fotografie auf Instagram Geld verdienen zu können – die Art der Fotografie maßgeblich geprägt und beeinflusst hat.
Fotografieren nach Zahlen - die Instagram-Ästhetik
In den Anfangsjahren des Netzwerks ist sicher nur wenigen Instagramern bewusst, dass sie eines Tages in der Lage sein werden, ihren Lebensunterhalt mit Inhalten auf dieser Plattform verdienen zu können.
Anstelle des Algorithmus entscheiden damals noch Menschen darüber, welche Inhalte Aufmerksamkeit, Reichweite und damit auch Anerkennung bekommen. Das Instagram-Team wählt händisch Inhalte und Profile aus, die dann in der „Suggested User List“ oder auf dem Instagram Account vorgestellt werden.
„Instagram loved picking favorites. Everyone they picked would instantly get a bigger audience, becoming a model citizen for others on the app, so the choices were critical.“ (Sarah Frier: „No Filter. The Inside Story of Instagram“ 2021, S. 81)
Die sogenannten "Gatekeeper" sind also nicht wirklich verschwunden. Sie befinden sich lediglich an anderen Orten bzw. sind mittlerweile durch Algorithmen ersetzt.
Weil dieses Team anfangs sehr klein ist – bis 2016 arbeiteten nur 13 Angestellte bei Instagram – und damit auch nur den Geschmack von wenigen Menschen abbildet, bildet sich schnell eine spezifische bevorzugte Ästhetik heraus:
- minimalistische Bild-Kompositionen
- klare Linien
- eine zentrale Perspektive
- entsättigte, pastellige Farbtöne mit einem hervorstechenden farbigen Highlight
Wer sich an dieser Ästhetik orientiert, eine interessante Geschichte zu erzählen hat und sich in der Instagram Community engagiert, kann auf ein Feature von oder auf Instagram hoffen.
Denn diese Ästhetik bestimmt nicht nur wie, sondern auch was fotografiert und auf Instagram geteilt wird: „(Edward) Barnieh(*) watched new Cafés all around the world adopt aesthetics that were popular on Instagram. They would hang bare Edison bulbs, buy succulent planters, make their spaces brighter, fill the walls with greenery or mirrors, and advertise items that were more eye-catching, like colorful fruit juices or avocado toast. (…) He heard the phrase ‚Do it for the gram‘ start to catch on. The people who were trying to build businesses off their Instagram photography needed to stand out, so they would venture to picturesque overlooks and beaches, which saw an increase in foot traffic.“ (Sarah Frier: „No Filter. The Inside Story of Instagram“ 2021, S. 168 - 169)
Im Bereich der Landschafts- und Reisefotografie habe ich – bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie 2020, die immer gleichen Motive beobachtet:
- der Mensch im Kanu auf einem einsamen Bergsee
- der kleine Mensch auf einem Felsvorsprung im Wald oder in den Bergen
- die über einem Abgrund baumelnden Beine
- der ausgestreckte „folge mir“ Arm
- Sonnenstrahlen, die zwischen (Nadel-)Bäumen im Nebel hervorkommen
- der ausgestreckte Arm mit einer Uhr am Handgelenk
etc.
Der Instagram-Account "@insta_repeat" gibt einen guten Überblick über diese Bildsprache, die sich von circa 2014 bis 2020 entwickelt und manifestiert hat. Erst die Corona bedingten Reisebeschränkungen, die das Reisen von 2020 bis 2021 zu diesen Orten für viele Menschen für einen bestimmten Zeitraum unmöglich gemacht bzw. erschwert haben, haben, haben diesen Kreislauf der immer selben Motive aufgebrochen und (in meiner persönlichen Beobachtung) erweitert.
Aber die Wiederholung der immer selben Bildideen und Motive ist für den Erfolg auf Instagram gar nicht hinder-, sondern im Gegenteil sogar förderlich.
*Edward Bernie ist ein Fotograf, der als einer der ersten Fotografen auf Instagram von Marken wie Nike, Apple und Sony gesponsert wurde.
Täglich grüßt ...
Warum funktioniert Wiederholung so gut auf Instagram?
Nach meiner persönlichen Einschätzung gibt es dafür drei Gründe:
1. Gesellschaftlich: Vor dem Hintergrund der tiefgreifenden politischen und gesellschaftlichen Umbrüche in der westlichen Welt in den vergangenen Jahren (Krieg, Migration, Erstarkung der Rechten Parteien, Dürre, Corona …) bietet Instagram einen Rückzugsort mit schönen Bildern und nicht allzu nachdenklichen Texten. Beim scrollen kann man sich in eine andere Welt hinein träumen und hoffen, dass vielleicht doch noch alles gut wird.
2. Wirtschaftlich: Seit 2016 erstarkt das Influencer-Marketing bzw. die „Produktplatzierung“ auf Instagram. Für Unternehmen bedeutet diese Art der Werbung (vor allem zur damaligen Zeit) einen hohen Kontrollverlust und ist entsprechend mit großen Unsicherheiten verbunden. Die Wiederholung macht(e) die Arbeit der „Influencer“ bzw. „Content Creator“ vorhersehbar und vermittelt ein Gefühl von Sicherheit. Weil dieser Punkt zudem mit Punkt 1 resoniert ist auch zu beobachten, dass Wiederholung zu mehr Likes und Followern führt, was sich dann wiederum in wirtschaftlichem Erfolg – im Sinne einer besseren Bezahlung auswirkt
3. Persönlich: Wiederholung verbindet. Ich denke, dass wir alle durch Wiederholung lernen. Wenn wir also einer Fotografin oder einem Fotografen folgen, deren Werke wir bewundern, versuchen wir zunächst die gleichen oder zumindest ähnliche Motive zu fotografieren, bevor wir unseren eigenen Stil entwickeln. Zudem bringt Wiederholung (vermeintliche) Sicherheit. Wir wissen, dass uns auf Instagram keine Überraschungen erwarten. Als Betrachter:innen wollen wir in dieser App auch gar keine Überraschungen.
Im Prinzip funktioniert Instagram ein wenig wie das „Marvel Cinematic Universe“ oder die Prequels von „Herr der Ringe“, „Game of Thrones“ oder „Star Wars“. Wir wollen der Realität entfliehen, dabei aber sicher sein, dass wir uns entspannt zurücklehnen können, weil wir von Anfang an wissen, was uns erwartet. Das immer Gleiche in einer leicht anderen Verpackung.
Wiederholung macht auch die Arbeit der Instagramer einfacher, die auf der Plattform ihr Geld verdienen. Sie müssen keine neuen Ideen entwickeln, sondern können sich an dem Bestehenden bedienen. Sie sind so besonders „effizient“ – im wirtschaftlichen Sinne – und – können den Algorithmus bedienen, der täglich neue Inhalte fordert.
Denn – das ist aus meiner Sicht ein weiterer wichtiger Punkt, der die Fotografie auf Instagram beeinflusst –wer auf Instagram erfolgreich sein möchte, muss am besten täglich präsent sein.
So bleibt wenig Raum für Neues. Denn „um etwas aus dem Ärmel schütteln zu können, muss auch erst mal etwas drin sein“, wie Jan Böhmermann oder Oli Schulz in einer Folge ihres Podcasts „Fest und Flauschig“ einmal schon schön gesagt haben. Um wirklich gute Ideen – also Ideen, die auf eine Art tiefgründig, vielschichtig und neu sind – entwicklen zu können, braucht es Pausen bzw. Zeit, um die "kreativen Speicher" zu füllen.
Die Macht der Zahlen
Wichtig ist an dieser Stelle – denke ich – auch zu verstehen, dass es nie das Ziel von Instagram war, die Fotografie weiterzuentwickeln.
Sicher, der Gründer Kevin Systrom war selbst begeisterter Fotograf. Bei einem Fotokurs in Florenz im Jahr 2005 inspirierte ihn eine analoge „Holga“-Kamera zu der Erkenntnis, dass ein „gutes“ Foto nicht technisch perfekt sein muss.
Im Gegenteil können Imperfektion und kreative Grenzen, wie die Beschränkung auf das quadratische Format, ein Bild besonders machen. Vermutlich war das die Geburtsstunde der Instagram-Filter und dem Quadrat als Format, die die ersten Jahre der Instagram App prägten.
Aber das primäre Ziel von vielen – vermutlich den meisten – Start-Up-Gründerinnen und Gründern im Silicon Valley ist es, ein finanziell erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Ob Kevin Systrom und Mike Krieger von Beginn an das Ziel verfolgten, möglichst schnell möglichst reich zu werden, weiß ich nicht.
Klar ist aber:
„Diese Konzerne sind nicht angetreten, um die Welt zu einem besseren, klügeren, bunteren, schöneren, gerechteren, nachhaltigeren Ort zu machen. Manches davon mag zu den ursprünglichen Ideen gehört haben. Vielleicht war es auch immer PR. Heute ist Big Tech aber vor allem den Investoren verpflichtet – Wachstum als Hauptzweck.“ (Social Media Watchblog Briefing für den 23.09.2022, Ausgabe #827)
Mit der Zeit scheint dieses Interesse an den Inhalten und am eigentlichen Wesen der Plattform in den Hintergrund gerückt zu sein. Vor allem mit der Einführung des Werbesystems im Jahr 2016 haben wirtschaftliche Interessen – und damit die Optimierung von Zahlen – den Platz von Austausch, Beziehungen und Inhalten eingenommen.
Zugespitzt fassen das Martin und Simon vom Social Media Watchblog so zusammen:
„Facebook, Instagram und Co sind auf die Inhalte von Nutzer:innen angewiesen. Für die Plattform ist es dabei erst einmal egal, welche Inhalte das sind. Solange sie den Community-Standards entsprechen, ist die Hauptsache, dass sie bei anderen Nutzer:innen verfangen. Eine Reportage der New York Times ist genau so viel wert wie die Hochzeitsfotos der Cousine. Es kommt nur darauf an, womit du als Nutzer:in deine Zeit verbringen möchtest. Alles wird zur Ware. Alles steht miteinander im Wettbewerb um Aufmerksamkeit. (Social Media Watchblog Briefing für den 23.09.2022 I Ausgabe #827)
Den Fokus auf Zahlen und Wachstum merkt man der Plattform heute an: Das einstmals minimalistisch gestaltete Interface wirkt überladen, es gibt zu viel (lieblos gestaltete) Werbung, zu viele Tests, zu viel Hin und Her. Das mag vielleicht auch der Grund dafür sein, dass sich immer mehr Nutzer:innen nach alternativen Plattformen umschauen. Nicht nur TikTok, auch BeReal und Vero warten nur auf ihre Chance.
Interessanterweise führt das in meiner persönlichen Beobachtung aber auch dazu, dass sich die vorher recht starre „Instagram-Ästhetik“ auflöst.
"No Filter" – wie Instagram meine Fotografie beeinflusst hat
Obwohl Instagram vielleicht nie das Ziel hatte, die Fotografie weiterzuentwickeln, hat die Plattform dennoch einen maßgeblichen Einfluss auf den aktuellen Stand. Sowohl in ästhetischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
Zum einen haben die erfolgreichen Fotograf:innen – Anfangs stark gefördert durch das Instagram-Team – eine spezifische "Instagram-Ästhetik" entwickelt. Diese Ästhetik hat nicht nur die Fotografie auf der Plattform, sondern auch viele weitere Bereiche unseres Lebens beeinflusst.
Zum anderen hat Instagram einer neuen Generation von Fotografinnen und Fotografen Sichtbarkeit verschafft, und ermöglicht ein Einkommen mit ihrer fotografischen Arbeit zu generieren.
Was ich mir von der "Instagram-Ästhetik" abgeschaut habe, sind die Liebe zu klaren Linien und durchdachten Kompositionen – und ja auch das ein oder andere populäre Motiv hat Einzug in meine fotografischen Arbeiten gefunden. Die Macht der Wiederholung ist auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen.
Ich denke aber auch, dass Instagram mir dabei geholfen hat, meinen eigenen Stil zu entwickeln. Ohne die App wäre ich bestimmt nicht mit so vielen Bilder von unterschiedlichen Fotograf:innen auf der ganzen Welt in Berührung bekommen und hätte sicherlich auch nie so viele Fotograf:innen kennengelernt.
Wie zu Beginn dieses Texts erwähnt, erwische ich mich manchmal dabei, wie ich Fotos nach ihrem potenziellen Erfolg auf Instagram auswähle oder dass ich öfter vertikale Fotos mache, weil das besser auf Instagram ankommt. Ich muss und möchte mich dann aber immer daran erinnern, dass ich meine Fotos nicht mache, um einem Algorithmus zu gefallen.
Quellen für diesen Text / Bücher
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Quellen für diesen Text / Podcasts
Influence! #77 | Wolfgang M. Schmitt & Ole Nymoen, welche Ideologie verkörpern Influencer?
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Erfolg auf Instagram: 6 Tipps von Selfmade-Fotoprofi Jörg Nicht (2019): https://www.netzpiloten.de/erfolg-auf-instagram-6-tipps-von-selfmade-fotoprofi-joerg-nicht/
Erfolg auf Instagram: Fotograf Jörg Nicht im Interview (2017): https://www.fotoespresso.de/erfolg-auf-instagram-fotograf-joerg-nicht-im-interview/
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Instagram. Die Quadratur der Welt (2018): https://www.zeit.de/zeit-magazin/2018/16/instagram-veraenderung-sicht-welt-selfie-alltag-reisen