"Fühlt sich das wie Silvester an?", frage ich mich, als ich nach den Tomaten greife. Eine handvoll grüne Blätter, ein Achtel einer fein geschnittenen Zwiebel, fünf Gurken, fünf Tomaten, Dressing - fertig. Wieviele dieser Salate ich bereits angerichtet habe? Keine Ahnung. Genauso wenig weiß ich, ob sich das hier wie Silvester anfühlt. Es ist eine Premiere für mich. Zum ersten Mal arbeite ich am Silvesterabend. Und dennoch würde ich dieses Silvester zu den Besseren zählen. Oft ist dieser Tag ja mit Erwartungen überfrachtet. Heute hatte ich gar keine Erwartungen. Umso schöner ist es, als ich nach der Arbeit mit meinen Kollegen und Mitbewohnern, die zugleich auch meine Freunde sind, an den Strand gehe, um das Feuerwerk zu sehen.
Westküste, Neuseeland
In Australien sind Dezember und Januar die arbeitsreichsten Monate in der Tourismusbranche. Die Restaurant- Hotel- und Hostelbesitzer versuchen, genügend Geld zu verdienen, um ihr Geschäft durch die Wintermonate zu bringen. Ich versuche genügend Geld zu verdienen, um im australischen Herbst wieder reisen zu können. Zwischen Arbeiten, Essen und Schlafen bleibt nur wenig Zeit, aber zum Glück ist das Meer niemals weit.
Turners Beach und (noch einmal) "the" Hill in Yamba, Australien
Wohlhabende Urlaubsorte erkennt man in der Regel an den makellosen Fassaden. An den frisch gestrichenen Wänden und den leuchtend bunten Fensterrahmen. Doch in Yamba ist das anders. Obwohl der Ort 2009 vom "Australian Traveller Magazine" zum Urlaubsort Nummer 1 in Australien gewählt wurde, gibt der Ort nicht vor etwas zu sein.
Vielleicht haben die Menschen hier besseres zu tun, als die Fassade aufrecht zu erhalten?
Main Beach in Yamba, Australien
Wie schwer kann es sein, Freunde beim Surfen zu fotografieren? Eine Stunde und zahllose "Wipeouts" später, erkenne ich, dass ich noch viel lernen muss und beschließe, mich auf die Zwischenmomente zu konzentrieren.
"The" Yamba Hill und Main Beach, Australien
Stundenlang kann ich dasitzen und auf das Meer schauen. Ich denke ich weiß jetzt, woher diese Sehnsucht nach dem Meer kommt: Es ist dieses Gefühl von Freiheit, wenn man die Wellen beobachtet und die Gewissheit, dass hinter dem Horizont alles möglich ist.
Back Beach in Angourie, Australien
Auch die Region rund um Yamba ist von den Buschfeuern in Australien betroffen. Fast stündlich verfolge ich die Lage mit Hilfe einer App, die anzeigt, wo und wie gefährlich die Brände sind. Obwohl man eigentlich keine App braucht, um zu wissen, dass die Feuer nicht weit entfernt sind. Der Rauch am Horizont und in der Luft, die rot glühende Sonne und meine Mitbewohner, die sich auf eine eventuelle Exakuierung vorbereiten, zeigen, die Gefahr ist real.
Auf den Fotos ist der Regenwald in Angourie zu sehen, in dem wenige Wochen zuvor Buschbrände gewütet haben.
Angourie, Australien
Ein kleiner Ort an der Ostküste Australiens mit einer ähnlich magischen Anziehungskraft wie Kaikoura oder Raglan, aber mit der extra Portion Wärme und Sonne.
Main Beach, Yamba Australien
Woher kommt die Sehnsucht, den Ozean zu betrachten?
Yamba, Australien
Einem echten Känguru zu begegnen, war für mich in etwa so spektakulär, wie vor der Oper in Sydney zu stehen. Etwas, das man nur von Bildern kennt mit eigenen Augen zu sehen, ist auf eine eigenartige Art und Weise besonders.
Irgendwo in Australien
Wenn ich ehrlich bin, habe ich den Flug nach Australien aus zwei Gründen gebucht: 1. Weil es nicht weit bis nach Neuseeland ist. 2. Weil ich Geld verdienen muss, wenn ich weitere Länder entdecken möchte. Zum ersten Mal bin ich an einen Ort gereist, an den ich keinerlei Erwartungen habe. Doch von dem Augenblick, an dem ich in Sydney aus dem Flugzeug steige und die Wärme spüre, weiß ich: Das war die richtige Entscheidung.
Wenn ich darüber nachdenke, wo ich irgendwann mal leben möchte, dann stellt sich zwangsläufig die Frage: Stadt oder Land? Oder kann man beides haben? Die Stille, den Raum, die Verbindung zur Natur auf dem Land und die kulturellen Angebote, die inspirierenden Menschen, die Anonymität der Stadt.
Nach elf gemeinsamen Monaten auf den Straßen, Park- und Campingplätzen Neuseelands ist es nun Zeit, mein geliebtes Auto "Herby" zu verkaufen. Schneller als mir lieb ist, ist ein Käufer gefunden. Nun bin ich wieder auf meine eigenen Füße angewiesen. In einem Land, in der "öffentliche Infrastruktur" in vielen Bereichen ein Fremdwort ist und dessen Städte eher für Autos als Menschen gebaut sind, bedeutet diese Tatsache lange Spaziergänge an stark befahrenen Straßen, aber auch die Möglichkeit, seine Umgebung intensiver wahrzunehmen.
Manu Bay, Raglan
Als Uri sein neues Surfboard begutachtet und zum ersten mal seine Finnen anschraubt, schleicht sich für einen Moment der Ausdruck purer Glückseligkeit in sein Gesicht. Ich will diesen Augenblick festhalten und fotografiere den ersten Trip mit seinem neuen Surfboard.
Die Bildergalerie findet ihr hier: https://www.framinglandscapes.de/fotografie/portfolio/the-new-surfboard/
Wo? Natürlich in
Manu Bay Raglan, Neuseeland
Ähnlich wie Kaikoura hat auch Raglan eine besondere Atmosphäre, die mich und andere Reisende immer wieder aufs Neue anzieht. Als ich den kleinen Ort an der nördlichen Westküste der Nordinsel Neuseelands zum ersten Mal verlasse, scherze ich noch mit der Rezeptionistin im Hostel, dass ich wahrscheinlich bald wiederkommen werde. Und tatsächlich vergehen keine zwei Wochen und ich bin wieder da.
Manu Bay Raglan, Neuseeland
“You go out surfing for the day at Raglan- you get two rides: one after breakfast, and one after lunch. You try for three you starve to death.”
The Endless Summer, Bruce Brown 1963
Wenn man ständig unterwegs ist, von einem Ort zum anderen reist, dann ist es schwer Kontakte aufrecht zu halten. Mit Steph und Thibault ist das zum Glück nicht der Fall. Immer wieder überschneiden sich unsere Reiserouten. Immer wieder treffen wir aufeinander, tauschen Erfahrungen, Inspirationen und Ideen aus.
"Raglan Roast" in Raglan, Neuseeland
Die Vorstellung in den Tag hineinleben zu können klingt zwar verlockend, doch die Wahrheit ist: Der Wunsch nach dieser Form von "Freiheit" nutzt sich so schnell ab, so wie der kindliche Wunsch, dass jeder Tag Weihnachten ist. Ohne Routine fällt es schwer, produktiv zu sein. Das "in den Tag hineinleben" macht einerseits träge, zum anderen ist es anstrengend, ständig Entscheidungen treffen zu müssen und seien sie noch so banal. Ein bisschen Routine ist also gar nicht so schlecht. Dem Wissen, welcher Wochentag gerade ist, verweigere ich mich dennoch nach wie vor mit großem Erfolg.
Tongariro Nationalpark, Neuseeland
Kannst du dir vorstellen, in Neuseeland zu leben? Diese Frage bekomme ich in letzter Zeit oft gestellt. So sehr ich dieses Land liebe, so wenig kann ich mir vorstellen hier länger zu leben. Denn letztendlich ist das andere Ende der Welt das andere Ende der Welt. Und das nicht nur im geographischen Sinne. Der Umstand, dass hier nur circa vier Millionen Menschen permanent leben macht dieses Land besonders. Doch diese Tatsache führt auch dazu, dass Entwicklungsmöglichkeiten fehlen. Schöne Landschaften können zum Beispiel nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Selbstmordrate unter Teenagern seit Jahren die Höchste der Welt ist und auch im Vergleich zu anderen Industrieländern eine der höchsten Raten häuslicher Gewalt aufweist.
Quellen: https://www.nzherald.co.nz/family-violence/news/article.cfm?c_id=178&objectid=11634543
https://taz.de/Die-Wahrheit/!5426223/
Lewis Pass, Neuseeland
Das Schöne am reisen, ist jeden Tag – in gewissen Grenzen – aufs Neue entscheiden zu können, wie man leben möchte. Das Schreckliche am reisen, ist jeden Tag aufs Neue entscheiden zu müssen, wie man leben möchte. Wie also trifft man gute Entscheidungen? Wie löst man sich von Erwartungen, Projektionen und Begehren? Wie setzt man die richtigen Prioritäten? Wie findet man heraus, was man will?
Goblin Forest im Egmont National Park, Neuseeland
Wenn man so weit wie möglich nach Süden reist, dann ist jeder Schritt nach Norden ein weiterer Schritt auf dem Weg nach Hause. Das ist wunderschön und beängstigend zugleich.
Mount Ruapehu im Tongariro Nationalpark, Neuseeland
Wenn man sich auf englisch verabschiedet, sagt man häufig "see you", anstatt "bye" oder "goodbye". Anders als im Deutschen ist das nicht förmlich wie "auf wiedersehen", sondern im Gegenteil ganz und gar unverfänglich. Bei mir hat das anfangs für Verwirrung gesorgt: "Ich habe doch gerade nur einen Schokoriegel gekauft und bin doch eigentlich schon auf dem Sprung in den nächsten Ort." Doch mittlerweile habe ich mich an die umgangssprachliche Abschiedsformel gewöhnt und mag den optimistischen Unterton, der mitklingt, wenn man sagt "see you".
Irgendwann werden wir uns wiedersehen.
Albatross Backpacker Inn in Kaikoura, Neuseeland
Der Regen und die Aussicht darauf, mehr Bilder für das "Kaikoura Ocean Research Institute" machen zu können haben mich früher als geplant, nach Kaikoura zurückkehren lassen. An einem der regenreichsten Tage der Woche begleite ich Mena, Alastair und Steph ein weiteres Mal zur Zwergpinguinkolonie. Nach einer Stunde im strömenden Regen gibt meine Kamera auf, aber es hat sich gelohnt und die Kamera funktioniert mittlerweile wieder ;)
Irgendwo in Kaikoura, Neuseeland
Musik aufdrehen und losfahren. Mehrere Stunden am Tag. Und dennoch nie rechtzeitig vor Anbruch der Dunkelheit ankommen. Obwohl ich nun schon knapp neun Monate hier in Neuseeland lebe, begehe ich doch den immer wieder gleichen Fehler und unterschätze die Distanzen. Aber es gibt einfach auch zu viele schöne Orte, an denen man nicht vorbeifahren kann. So begehe ich gleich noch einen weiteren #Vanlife Fehler und bleibe draußen, obwohl die Temperaturen nach Einbruch der Dunkelheit schneller fallen, als jedes Mikrofon dropt. Die Entscheidung ist ganz einfach: Entweder hungrig ins Bett gehen und warm bleiben. Ich entscheide mich für das Essen und die Kälte. Obwohl es zum Glück letztendlich gar nicht so kalt ist, wie befürchtet. Vier Decken, eine Wärmflasche und mehrere Lagen an Klamotten halten mich warm. Die Kiwis bezeichnen dieses Gefühl, wunderbar warm zu sein mit "toasty." Ich mag dieses Wort.
Moke Lake, Neuseeland
"Bittersweet" ist wohl das beste englische Wort, um das Gefühl zu beschreiben, dass mich in dieser Woche begleitet. Nach vier Wochen werde ich Kaikoura verlassen. Im Hinterkopf weiß ich, dass ich wahrscheinlich wiederkommen werde, um mehr Bilder für das Pinguin-Projekt zu machen, aber 100 Prozent klar ist das noch nicht. Einerseits freue ich mich auf alles, was vor mir liegt: Ein Foto-Workshop und eine kleine Abschiedsrunde um die Südinsel. Andererseits ist ein Aufbruch auch mit Schmerzen verbunden. Die Gewissheit, lieb gewonnene Menschen , Tiere und Orte vielleicht nie wieder sehen zu können, lässt mich melancholisch werden.
Lake Heron, Neuseeland
Die Zwergpinguinkolonie ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse in Kaikoura. Zwischen Fischerbooten, Wohnhäusern und Flachsbüschen haben sich die kleinsten Pinguine der Welt ein Zuhause gesucht. Viele Male bin ich schon an diesem Ort vorbeigelaufen, habe Katzen gestreichelt und auf das Meer geblickt – in der Hoffnung Delphine zu sehen – Pinguine sind mir hier nicht in den Sinn gekommen. Und das ist auch gut so. Denn die Kolonie ist so klein, dass zuviel Aufmerksamkeit möglicherweise dazu führen könnte, dass die kleinen Tiere für immer verschwinden. Andererseits ist es auch wichtig, die Menschen für die Bedürfnisse ihrer Nachbarn zu sensibilisieren. Wie findet man die Balance zwischen Aufklärung, Spenden sammeln und Schutz der Tiere?
Ich musste hoch und heilig versprechen, nicht zu verraten, wo sich die Pinguin Nester befinden. So viel darf ich allerdings sagen: Wer die kleine Pinguin-Kolonie in Kaikoura besuchen möchte, kann an einem "P.E.A.P – Penguin Education and Awareness Programme" teilnehmen. Alle Infos dazu gibt es hier: https://kori.org.nz/2018/10/20/what-is-a-p-e-a-p/
Neuseelands Landschaften wirken auf mich oft surreal, zu schön, um wahr zu sein. Wie Orte in einem Traum. Selbst die Zeit vergeht hier gefühlt anders als im Rest der Welt. Stunden werden zu Tagen, Tage zu Wochen, Wochen zu Monaten. Gleichzeitig schneller und langsamer. Schnell vergisst man dabei, dass der Pazifik und die schneebedeckten Kaikoura Ranges nur wenige hundert Meter vor der eigenen Haustür liegen.
Strand in Kaikoura, Neuseeland (mein Lieblingsort ;) )
Während die Tage in Europa kürzer werden, werden sie hier in Neuseeland länger. Zwar stehen uns noch zwei kalte und dunkle Monate bevor, aber bislang war der Winter hier ziemlich erträglich.
Strand in Kaikoura, Neuseeland.
In dem Gedicht "All that is gold does not glitter" schreibt Tolkien auch den mittlerweile berühmten Satz "Not all those who wander are lost." Aber sind wir nicht
alle ein bisschen verloren und auf der Suche? Mehr und mehr realisiere ich, dass ich aufgebrochen bin, um mein Paradies zu finden. Im Außen sowie im Innen.
Je länger ich Zeit habe, um nachzudenken, desto deutlicher wird, dass "Gut" nicht bedeutet, dass es keine Konflikte und keine Reibungen gibt. Gut bedeutet, eine
Balance im Geben und Nehmen zu finden. Herauszufinden, wie viel man geben kann und wieviel man zum Leben braucht. Die eigenen Grenzen definieren und in den Beziehungen zu anderen Menschen
aushandeln.
Point Kean in Kaikoura, Neuseeland.
Der "Milky Way" war immer mein Lieblingsschoko-Riegel. Keine Nüsse, kein Karamel, kein Schnickschnack. Einfach Schokolade und eine undefinierbare Creme. Das Milky Way eigentlich Milchstraße bedeutet und die Galaxie bezeichnet, in der wir leben, diese Verbindung habe ich erst Jahre später erkannt. Komisch oder? Wie wir jahrelang ein Wort benutzen, ohne dass uns dessen originäre Bedeutung bewusst ist. Das faszinierende am Nachthimmel in Neuseeland ist, dass man die Milchstraße tatsächlich mit bloßem Auge sehen kann.
Blick in den Sternenhimmel vom Strand in Kaikoura.
"Kannst du was aushalten?", fragt mich mein zukünftiger Chef und blickt mich dabei fragend an. Natürlich sage ich "ja" und versuche dabei besonders selbstbewusst
auszusehen. "Okay, dann versuchen wir es", sagt er und ab diesem Moment bin ich Köchin. Zuerst denke ich, dass ich wahrscheinlich Kartoffeln schäle und Pommes fritiere, aber im Winter ist das
Personal rar (wahrscheinlich ein weiterer Grund, warum ich eingestellt wurde) und jeder muss alles machen. So lerne ich jetzt also, wie man Fisch fritiert, Filets zubereitet und Steaks brät. So
richtig kann ich es selbst nicht glauben. In den schönsten Momenten genieße ich den Adrenalin in der Küche, die koordinierten Bewegungen, die fast einem Tanz gleichen. In den dunkelsten fühle ich
mich wie eine Hochstaplerin.
Anthony, Koch im Craypot in Kaikoura.
Jobs gibt es in Kaikoura in erster Linie im Restaurantgewerbe. Mein Problem: Ich habe noch nie in einem Restaurant gearbeitet und denke von mir selbst, dass ich wahrscheinlich die schlechteste Kellnerin der Welt sein werde. Aber was hilft das schon? Bevor ich mich bei den verschiedenen Cafés und Restaurants in der Stadt vorstelle, lege ich mir ein paar Argumente zurecht "Ich kann mich schnell in neue Bereiche einarbeiten, Ich hatte in meinem letzten Job viel mit Menschen zu tun ..." Mal schauen, wie weit mich das bringt.
Louie – die Hostelkatze des Albatross Backpacker Inn in Kaikoura.
Danke Jogi Löw. Danke, dass du mir – obwohl wir uns nicht persönlich kennen und ich auch nicht unbedingt der größte Fußballfan bin – eine wichtige Lebensweisheit mit auf den Weg gegeben hast. Und die lautet: Geh, wenn es am schönsten ist.
Nach sechs Wochen scheint für mich jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um Kaikoura zu verlassen und Neuseelands Südinsel im Herbst zu bereisen. Alles ist vorbereitet: Das Auto ist aufgeräumt, alle Vorräte sind aufgefüllt. Jetzt muss "Herby" (mein Auto) nur noch den neuseeländischen TÜV bestehen und dann kann es losgehen. Doch leider hat die Mitarbeiterin in der Autowerkstatt schlechte Nachrichten. Reifen, Bremsen und gebrochene Stoßdämpfer müssen erneuert werden, damit ich mein Auto weiter fahren kann. Vielleicht hätte ich doch auf die ein oder andere Schotterstraße verzichten sollen? Nein, ich muss da jetzt durch. Ich werde Herby reparieren lassen, mir einen bezahlten Job in Kaikoura suchen und bis mindestens Ende Juli bleiben.
Das Foto ist in South Bay, Kaikoura entstanden.
Das Schwerste am Reisen sind die Abschiede. Auf Wiedersehen zu sagen, ohne zu wissen, ob das jemals wirklich eintreffen wird. Doch jede Begegnung ist lehrreich. Und für jeden Menschen, den ich kennenlernen darf, bin ich dankbar.
Das Foto ist im Albatross Backpackers Inn in Kaikoura entstanden.
Je länger ich bleibe, desto weniger möchte ich gehen. Reisende nennen das "to get stuck". Im Sinne von irgendwo stecken zu bleiben. Das kann gut sein, weil man
einen Ort gefunden hat, an dem man bleiben möchte. Andererseits bedeutet das aber auch, dass man den richtigen Moment finden muss, um wieder zu gehen. Je länger man bleibt, desto mehr weicht die
Magie der Realität.
Das Foto ist in Kaikoura, Neuseeland entstanden.
Das ist er also: der Winter im Frühling. Während meine Freunde in Deutschland die ersten warmen Tage feiern #EndlichFrühling, bekomme ich ein bisschen Angst vor den kürzer und kälter werdenden Tagen. Ich könnte jetzt einfach weiterziehen. Wie ein Zugvogel. Immer dem Sommer hinterher. Doch ich möchte bleiben. Irgendwie weiß ich, dass das hier gut werden kann.
Das Foto ist auf dem Gipfel von "Mount Fyffe" in Kaikoura, Neuseeland entstanden.
Habt ihr schon mal erlebt, dass ein Plan einfach so aufgegangen ist? Ohne, dass ihr euch dafür groß anstrengen musstet? Schon vor Wochen hatte ich mir überlegt,
dass ich nach Pascals Besuch gerne in einem Hostel arbeiten würde. An das "Albatross Backpacker Inn" in Kaikoura hatte ich dabei schon seit längerer Zeit gedacht. Ich kannte das Hostel noch von
meiner Reise 2012. Also bin ich, nachdem ich Pascal verabschiedet habe, hingefahren, habe gefragt, ob ich hier arbeiten kann und den Job bekommen. Bäm.
Es überrascht mich immer wieder, wie problemlos sich die Dinge manchmal fügen.
Das Foto ist bei der Seal Colony in Kaikoura, Neuseeland entstanden.
Warum ist die 30 eigentlich so eine besondere Zahl? 20, 25, 29 – einfache Zahlen, die beschreiben, wie viele Jahre man schon auf dieser Erde lebt, aber 30? Ähnlich wie 18, erscheinz mir die 30 wie eine unsichtbare und ungreifbare, aber dennoch existierende Barriere. Ein freier Lebensabschnitt geht zu Ende. Eine Zeit, in der es okay war zu experimentieren, in der man herausfinden sollte, wer man ist, was man will, um dann im Idealfall bis zum 30. Geburtstag sowohl beruflich, als auch privat die Weichen für die Jahre bis zur Rente gestellt zu haben.
Mit 29 beginnt man zu resümieren und die innere To-Do Liste der gesellschaftlichen Erwartungen abzuarbeiten:
Meine Liste sieht aktuell so aus:
Und das ist auch okay. Wir alle leben (wahrscheinlich) nur einmal und wir haben das Glück in einem Land und in einer Zeit zu leben, in der wir dieses Leben relativ
frei gestalten können. Warum sollten wir diese Chance nicht nutzen?
Das Foto ist vor dem "Albatross Backpacker Inn" in Kaikoura, Neuseeland entstanden.
Nach vier Monaten "Vanlife" ist es jetzt wieder Zeit für ein Bett, ein Dach, eine verlässliche Stromversorgung und eine warme Dusche. Der eigentliche Plan war, mich in Christchurch von Pascal zu verabschieden und dann dort nach einem Job zu suchen – im Idealfall in einem Hostel, in dem ich dann auch wohnen kann. Doch wegen eines platten Reifens an einem Sonntag, muss ich in Kaikoura bleiben. Obwohl "muss" ist vielleicht das falsche Wort, denn eigentlich hatte ich schon seit einiger Zeit überlegt, zu dieser kleinen Stadt, von der aus man sowohl die schneebedeckten Berge als auch das Meer sehen kann, zurückzukommen. Vielleicht war der platte Reifen ein Wink des Schicksals ... Denn ich habe tatsächlich einen Job hier bekommen, der es mir auch ermöglicht, alle meine Ideen, Geschichten und Bilder der letzten Monate zu be- und verarbeiten.
Das Foto ist im "Albatross Backpacker Inn" in Kaikoura, Neuseeland entstanden.
Wiederholungen und Stereotype mögen den einen oder anderen beim Durchscrollen des Instagram Feeds nerven, aber manche Orte sind einfach zu schön, um sie nur einmal zu sehen. So ging es mir nicht nur mit dem "Aoraki/Mount Cook Nationalpark", den ich einmal alleine und einmal mit Pascal besucht habe, sondern auch mit "Milford Sound". Ein magischer Ort, dessen Zauber am besten in den Morgen- oder Abendstunden wirkt, wenn die meisten Touristen noch nicht da oder schon wieder abgereist sind.
Das Foto ist bei Milford Sound, Neuseeland entstanden.
In Neuseeland gibt es nur wenig, was man vorplanen muss. Eine Übernachtung in der beliebten "Mueller Hut" gehört zu diesen wenigen Ausnahmen. In der Haupt- und teilweise sogar noch in der Nebensaison von November bis Mai ist die Hütte im "Aoraki/Mount Cook Nationalpark" oft schon Monate im voraus ausgebucht.
Blöd ist nur, wenn der Wetterbericht genau dann meherere Regentage voraussagt, wenn man selbst zu der Hütte laufen will. Obwohl die Gefahr besteht, dass wir vielleicht gar nicht hochlaufen können, fahren Pascal und ich dennoch zum "White Horse Hill Campground", dem Ausgangspunkt der Wanderung. Als wir im strömenden Regen dort ankommen, rechnen wir mit dem Schlimmsten, doch am nächsten Tag scheint die Sonne und wir freuen uns über den tollen Ausblick.
Das Foto ist bei der Mueller Hut, Neuseeland entstanden.
Nachdem wir gefühlt zu viel Zeit in Christchurch und Dunedin verbracht haben, freuen wir uns darauf, in den "Catlins" wieder naturverbundener zu leben. Nicht nur, weil man sich als ungewaschener Camper in einer Stadt nicht immer besonders willkommen fühlt, sondern auch, weil wir beide einen Campingplatz am Meer immer einem Doppelzimmer in einer Stadt vorziehen würden. Die Catlins sind die perfekte Region zum zelten, spazierengehen und surfen. Als wir die "Cannibal Bay" erkunden, werden wir von neugierigen "Seals" – neuseeländische Pelzrobben, die einst fast ausgerottet wurden und heute wieder an den Küsten der Südinsel leben – beobachtet. Einige Buchten weiter – in der "Curio Bay" – sehen wir zwei "Hector's Dolphins", die in den Sonnenuntergang schwimmen. Kann es noch besser werden?
Das Foto ist in der Purukanui Campsite, Neuseeland entstanden.
Nie hätte ich gedacht, dass es mir schwer fällt, meine zwei Quadratmeter Wohnfläche mit jemandem zu teilen. "Vanlife" mit einem Partner ist definitiv noch einmel eine andere Herausforderung. Besonders wenn einer von beiden krank wird. Zum Glück lösen wir uns im Kranksein ab und können uns gegenseitig helfen. Und zum Glück spielt das Wetter mit. Auf unserem Weg Richtung Süden erleben wir nur einen Regentag. In Dunedin können wir uns die berühmten "Partyhäuser" der Studierenden der University of Otago noch bei strahlendem Sonnenschein ansehen, bevor ich endgültig krank werde.
Dieses Foto ist in Dunedin, Neuseeland entstanden.
Dieser Moment, wenn sich die Tür am Flughafen öffnet und da der Mensch steht, den du in den letzten vier Monaten unglaublich vermisst hast ... Bevor wir ins "Vanlife" starten, gönnen wir uns ein Airbnb und erkunden Christchurch gemeinsam. Weil Pascal keinen Jetlag hat, verschiebe ich das Sortieren meiner Bilder und das Ausarbeiten meiner Ideen auf die Zeit nach seinem Besuch.
Dieses Foto ist bei "Taylors Mistake", Neuseeland entstanden.
Von der fast schon surrealen Landschaft des Mount Cook National Parks bin ich so überwältigt, dass ich den berühmtesten, weil am einfachsten zu begehenden Wanderweg – den "Hooker Valley Track" – gleich zwei Mal laufe. Während sich tagsüber Menschenmassen durch das Tal schieben und man sich vorkommt, als stünde man in einer Art Warteschlange für die Attraktion eines Freizeitparks, verschwinden diese Menschen pünktlich zum Sonnenuntergang plötzlich. Sogar Fotografen mit teuren Kameras und noch teureren Objektiven kommen mir entgegen. So kommt es, dass ich diesen Anblick (fast) alleine genießen kann.
Das Bild ist im "Hooker Valley", Neuseeland entstanden.
Offenbar muss man sich oder etwas erst verlieren, bevor man etwas finden kann. In der letzten Woche habe ich zwar mein Wissen über die kalendarische Zeit verloren, dafür hatte ich eine unglaublich kreative Phase. Meine Memo App quillt über vor Ideen. In den nächsten Tagen werde ich meine Zeit in Christchurch nutzen, um mich wieder zu sortieren und zu finden.
Das Bild ist im "Opara Basin", Neuseeland entstanden.
"Heute ist der 8. Februar, oder?", frage ich einen Mann, der neben mir den Schein für den Zeltplatz ausfüllt. Der schaut mich nur verwundert an und scheint für ein oder zwei Sekunden sprachlos, erwidert dann aber: "Nein, heute ist der 5. Februar." Er lacht kurz und sagt dann mit einem besorgtem Unterton: "You're really lost are you?". Ja, ich habe mich tatsächlich verloren. Ich weiß nicht mehr, welches Datum, geschweige denn welcher Tag es ist. Und das finde ich ehrlich gesagt ziemlich gut.
Das Bild ist in "Hector", Neuseeland entstanden.
Letztendlich sind es doch die Begegnungen mit anderen Menschen, die eine Reise und das Leben besonders machen.
Das Bild ist in der Nähe der "Angelus Hut", Neuseeland entstanden.
"Ob die Schafe denken, dass ich so eine Art Superschaf bin?", überlege ich als ich durch die grünen Hügel der Banks Peninsula fahre und mir die dort ansässigen Schafe immer wieder neugierig hinterherschauen. Ganz abwegig ist es nicht. Immerhin ist die Farbe meines Autos der Fellfarbe eines weißen Schafs gar nicht mal so unähnlich.
Das Bild ist der Nähe von "Akaroa", Neuseeland entstanden.
Ich bin gerne alleine unterwegs. Ich mag die Unabhängigkeit und die Freiheit, die damit einhergeht. Doch wenn man einmal eine Zeit lang mit einem geliebten Menschen gereist ist, ist es schwer, sich wieder an das Alleinsein zu gewöhnen.
Das Bild ist in "Okains Bay", Neuseeland entstanden.
Der Aufstieg zum "Roys Peak" zählt wahrscheinlich zu den herausforderndsten Wanderungen, die ich jemals gemacht habe. Der Weg ist nicht besonders anspruchsvoll, allerdings ist man den Wetterbedingungen über die gesamte Strecke ausgeliefert. Es gibt keinen Schatten und keinen Schutz vor Regen. Wenn die Sonne scheint, sollte man deshalb am besten Nachmittags losgehen. Dann ist die Sonnenstrahlung nicht mehr zu intensiv und man kann – wenn man Glück hat – den Sonnenuntergang sehen.
Ausblick von "Roys Peak" auf Wanaka, Neuseeland.
An einen Ort zurückzukehren, mit dem man viele Erinnerungen verknüpft, kann schön sein, aber auch Enttäuschungen mit sich bringen. Nichts bleibt, wie es ist. Alles verändert sich. In dieser Woche sind meine beste Freundin und ich nach Dunedin gereist. 2012 haben wir hier ein Semester an der University of Otago studiert haben. Zum "Tunnel Beach", an dem dieses Foto entstanden ist, haben wir es damals nicht geschafft. Es war schön, diesen Ausflug jetzt nachzuholen.
"Tunnel Beach", Neuseeland
Ein neues Jahr, ein neuer Anfang, der eigentlich schon im letzten Jahr begonnen hat. Jetzt stehe ich hier und habe so viele Ideen, so viele Möglichkeiten, das ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Welche Idee ist es Wert, Zeit und Energie zu investieren? Welche Möglichkeit bringt mich näher an mein Ziel, ein erfülltes Leben führen zu können? Fragen, auf die ich momentan noch keine Antworten habe. Aber wie ich bereits im letzten Jahr festestellt habe, brauchen manche Dinge eben einfach Zeit.
SH6 bei St. Arnaud, Neuseeland